Den assistierten Suizid legalisieren. Ja oder nein? Große Diskussion im Bundestag, und überall…Sollte sich jeder unkompliziert selbst töten dürfen bzw. das Recht auf professionelle und private Hilfe dabei in Anspruch nehmen können? Wenn ja, unter welchen Bedingungen? Dürfen das dann nur körperlich Schwerkranke oder auch Depressive oder gerade die nicht?
Ich habe schon sehr oft gedacht, dass es mich extrem beruhigen würde, wenn ich die Möglichkeit hätte, mich ohne anderen dabei zu schaden unkompliziert aus dem Leben katapultieren zu können, wenn ich wollte. Niemandem mehr zu Last fallen, keine Schmerzen ertragen, den eigenen Verfall nicht erleben müssen, ein Ende setzen, bevor das Ende schlimm wird – für den Fall der Fälle, dass es schlimm wird. Einfach selbst entscheiden, wann es genug ist, sollte der Moment je kommen. Und dabei würde ich auch gerne Hilfe in Anspruch nehmen und zu „legalen“, schmerzlosen Mitteln greifen können. Das hört sich plausibel an, fast so, als müsste das ein Grundrecht sein. Aber:
- Wie wäre es denn, wenn die Gesellschaft es ermöglichen würde, dass Todkranke bis zu ihrem Lebensende in Würde gepflegt werden? Wie wäre es, wenn das auch jemand (unsere Gesellschaft) in einer hohen Qualität finanzieren würde und wenn die Angehörigen sich auch genug Zeit nehmen könnten, um ihren geliebten alten oder kranken Menschen zu begleiten – ohne schlechtes Gewissen dem Kranken oder dem Arbeitgeber gegenüber.
- Wie wäre es, wenn die Pflegenden heutzutage viel mehr Anerkennung bekämen, vor allem finanziell und wenn es nicht nur um Pflegepauschalen und Minuten sondern um echte Zuwendung ginge?
- Wie wäre es denn, wenn wir uns darauf verlassen könnten, dass die Palliativmedizin qualitativ so gut ist, dass sie alle Möglichkeiten wahrnimmt, um Schmerzen wirksam und zuverlässig zu behandeln? Und wenn wir umgekehrt wüssten, dass wir nicht sinnlos lange an lebenserhaltende Geräte gekettet werden, wenn unser Geist und Körper sich längst verabschieden wollen?
- Und wie wäre es denn nicht zuletzt, wenn wir nicht alle noch in der zweiten Lebenshälfte dem Jugendwahn verfallen würden sondern akzeptieren würden, dass es zum Leben dazu gehört, sich irgendwann körperlich und geistig wieder zurück zu entwickeln und womöglich auch auf Hilfe angewiesen zu sein. Wir müssen nicht aus der Welt scheiden und am letzten Tag noch einen Schönheitswettbewerb, den Ironman oder die Mathe-Olympiade gewinnen.
Der Wunsch nach Sterbehilfe und einem selbstbestimmten Ende entspringt doch eigentlich unserer großen Angst vor dem Verlust unserer Autonomie – eine der Maximen unserer heutigen Gesellschaft. Wenn wir die Dinge nicht mehr unter Kontrolle haben, ist alles für die Katz. Dabei ist doch nicht nur autonomes Leben wertvoll – schließlich kümmern wir uns auch um unsere völlig von uns abhängigen Babys und Kleininder und wir kümmern uns übrigens zum Glück auch (noch!) um die Kinder, die behindert zur Welt kommen und für die klar ist, dass sie vermutlich niemals ein völlig autonomes Leben führen werden. In unserer Gesellschaft scheint es offenbar wertvoller zu sein, 80 mehr oder weniger autonome Jahre vor sich statt hinter sich zu haben.
Wenn ich das Gefühl hätte, dass die oben aufgeführten Punkte in unserer Gesellschaft Realität wären, dann wäre mein Wunsch nach der Möglichkeit einer Abkürzung nicht so groß, wie er momentan ist. Das Grundrecht auf ein selbst herbeigeführtes und würdiges Lebensende zu haben, würde mir schon sehr gefallen, aber die Wahrscheinlichkeit, darauf jemals zurückgreifen zu wollen, würde sich vermutlich stark reduzieren.