„Tiere Essen“ von Jonathan Safran Foer – Rezension

Cover: Amazon.de

Nachdem ich ja bereits hier darüber berichtet habe, dass das Buch „Tiere Essen“ von J.S. Foer demnächst auf Deutsch veröffentlicht wird, habe ich – als relativ „junge“ Vegetarierin – mir das sehr hübsche, wenn nicht gar schöne (!) grüne Buch kurz nach Erscheinen gekauft und umgehend zu Gemüte geführt.
Mein Interesse geweckt hatten mehrere Rezensionen, die dem Autor einen sehr sachlichen, verständnisvollen, wenig polemischen und also auch dem gemeinen Fleischesser zugeneigten Tonfall bescheinigt haben. Das hat mich neugierig gemacht, da ich selbst weniger aus übersteigerter Tierliebe, sondern eher aus Gründen der Vernunft und der Abscheu vor den Fleischproduktionsbedingungen mittlerweile auf Fleisch verzichte.

Das Buch liest sich angenehm und unterhaltsam. Am Anfang ist der Autor tatsächlich sehr bemüht, möglichst neutral über die Dinge zu berichten, die er herausgefunden hat – bzw. rausfinden will. Anrührend gleich zu Beginn ist die Erklärung zu seiner Motivation für die Suche nach der Herkunft unseres Fleisches: Sein Sohn kam zur Welt und er bschloss, nicht mit leeren Händen dastehen zu wollen, wenn Junior ihn eines Tages fragen sollte „Papa, wo kommt eigentlich das Fleisch her?“ Ich finde auch, dass man auf diese Frage eine Antwort haben sollte.

Weiter geht es im Text, indem er seine Beziehung zu seinem geliebten Hund beschreibt, aber kurz darauf ein sehr provokantes Plädoyer für das Verzehren von Hunden hält, weil es von diesen sowieso viel zu viele gäbe, die jedes Jahr in Massen eingeschläfert werden müssten. Warum also nicht Hundefleisch essen, das eh da ist, statt Massentierhaltung zu betreiben? Außerdem werden in anderenLändern noch ganz andere Sachen gegessen … Ich finde, man hätte kaum einen polemischeren Buchanfang wählen können. Der etwas unflexible Dackelhalter, der in Erwägung zieht, zukünftig auf seinen Sonntagsbraten zu verzichten,  würde wahrscheinlich schon an dieser Stelle das Buch wieder zuklappen, was sehr schade wäre.

Foer präsentiert im Folgenden hauptsächlich unzählige, sehr informative Zahlen, Daten und Fakten zur Fleischproduktion (Fisch, Geflügel, Schwein, Rind – alles!), die offenbar sehr gut recherchiert sind, was die ausführlichen Quellenangaben im Anhang belegen. Die meisten Informationen beziehen sich auf die Lebensmittelindustrie der USA, im Anhang gibt es jedoch einen eigenen Teil, der in groben Zügen erläutert, wie die Verhältnisse in Deutschland sind. Ein genaues Bild von der Lage in unserem Land kann hier jedoch rein schon aus Umfanggründen nicht geboten werden.

Außerdem erzählt er ausführlich von seinen Gesprächen mit Menschen (oder lässt diese in Monologen zu Wort kommen), die mit der Massentierhaltung zu tun haben – oder diese strikt ablehnen.  Besonders gut haften geblieben ist mir eine Geschichte gleich zu Anfang, bei der Foer mit einer Tierschutz-Aktivistin bei Nacht und Nebel in eine Geflügelfarm einsteigt. Eindrucksvoll beschreibt er das Bild, das sich ihm bot. Die Technik der Lampen und Ventilatoren und die unüberschaubare Menge der Vögel lassen ihn erfürchtig erstarren bis er realisiert, dass überall zwischen den lebenden Tieren, verletzte und verendete Tiere liegen – wirklich überall. An dieser Stelle hätte die Szene enden können, aber Foer berichtet weiter, wie seine Begleiterin einem Hühnchen, das leidend in den letzten Zügen seines qualvollen Lebens liegt, mit einem Messer die Kehle durchschneidet, um es zu erlösen. Sehr rührend.

Es folgen Wortmeldungen von Farmern, die sich in artgerechter Tierhaltung versuchen und dabei viele Steine in den Weg gelegt bekommen. Foer drückt seinen großen Respekt gegenüber diesen Menschen aus, hat teilweise enge Freundschaften mit ihnen geschlossen (besonders interessant: eine Rinder-Farmerin, die selbst Vegetarierin ist), will sich aber in seinen Ausführungen nicht so recht festlegen, ob er selbst bei einer flächendeckend artgerechten Tierhaltung tatsächlich Fleisch verzehren würde, oder ob er Tierhaltung nicht doch per se inakzeptabel findet.

An dieser Stelle zeigt sich ganz deutlich das Dilemma – seines und meines: Ist es überhaupt in Ordnung, Tiere zu töten? Darf der Mensch sich über die Tiere stellen? Und wenn ja, über welche (ich konsumiere z.B. noch Fisch, obwohl Fische laut Foer nach gar nicht so neuen Erkenntnissen sehr komplexe emotionale Beziehungen zu ihren Familienmitgliedern aufbauen können und teilweise sogar monogam leben)? Ich habe den Eindruck, dass Foer noch nicht für sich entschieden hat, ob er lediglich die Massentierhaltung anprangert (was er in dem Buch über weite Strecken vorgibt) oder ob für ihn das „Benutzen“ von Tieren nicht allein schon inakzeptabel ist. So packt er dann auch am Ende noch einmal den großen Knüppel aus und treibt einem die letzte Salatmahlzeit wieder hoch, wenn er Augenzeugenberichte von Mitarbeitern in Schlachtbetrieben zitiert, die regelmäßig und mit voller Absicht peverse und sadistische Handlungen an Tieren vornehmen. Hier fand ich es dann definitiv ein bisschen zu viel des Guten und habe mich sehr gewundert über die anfangs erwähnten Rezensionen, in denen die moderate Argumentation des Autors so hochgelobt wurde. Vielleicht hätten die Rezensenten das Buch bis zum Ende lesen sollen?

Mein Fazit: Ein sehr gutes Buch, das Vegetarier in ihrer Haltung bestätigen wird und viele Daten und Fakten zur Massentierhaltung – leider hauptsächlich aus Amerika – zur Unterfütterung dessen liefert, was man eh schon vermutet hat. Als Geschenk zur Missionierung überzeugter Fleischesser weniger geeignet, weil doch zu sehr gespickt mit expliziten brachialen Bildern von Gewalt gegen Tiere, die sicher wahr sind, aber bewusste Fleischesser wahrscheinlich eher zu Reaktanzverhalten verleiten werden.

Mehr Überzeugungskraft hätte es m.E. gehabt, wenn die „ganz normalen“ Bedingungen der Massentierhaltung in aller Deutlichkeit dargestellt worden wären. Diese sind schon pervers genug und bedürfen keiner weiteren Aufpeppung durch detailgetreue Schilderungen von Tierquälereien.

Unter Bedingungen der EG-Bio-Verordnung dürfen übrigens 10 Stück Mastgeflügel pro Quadratmeter Stall bzw. max. 21 kg Lebendgewicht pro Quadratmeter gehalten werden. In einem Maststall dürfen 4800 Tiere „leben“. Wer also glaubt, dass er mit „Bio“ aus der Massentierhaltung raus ist, der sollte hier lieber noch einmal ganz genau nachlesen.

Autor: Wortdealer

Mein Blog.

8 Gedanken zu „„Tiere Essen“ von Jonathan Safran Foer – Rezension“

  1. Es ist gut möglich das am Ende des Buches die „normalen“ Bedingungen gezeigt werden. Ein psychologischer Effekt ist verantwortlich dafür.
    Wenn du die Aufgabe hast einem anderen Wesen Leid zuzufügen, muss dein Bewusstsein es als Minderwertig betrachten, um die Aufgabe ohne Schaden ausführen zu können.
    Die unnötigen Tierquälereien werden benötigt um sich selbst davon zu überzeugen, das man die Tiere als minderwertig betrachtet…
    Man muss seinen Gegenüber leider erst abwerten, bevor man ihm Schaden kann^^

  2. Ui, das kann man wahrscheinlich so sehen, ich hoffe jedoch, dass die meisten Menschen, die mit der Verarbeitung von Tieren zu tun haben, noch den nötigen Respekt gegenüber den Lebewesen haben … Aber an Deinen Ausführungen mag etwas Wahres dran sein.
    Ich habe zu meine Laborzeiten Mäuse getötet und musste zum Glück keine sadistischen Praktiken etablieren, um mit dem Töten „zurecht“ zu kommen. Bin aber trotzdem froh, dass ich das nicht mehr machen muss…


  3. Ich habe zu meine Laborzeiten Mäuse getötet und musste zum Glück keine sadistischen Praktiken etablieren, um mit dem Töten “zurecht” zu kommen. Bin aber trotzdem froh, dass ich das nicht mehr machen muss…“
    klar, Mäuse stehen sowieso schon ein paar Stufen unter dir. Da musst du sie nicht mehr künstlich abwerten. Wahrscheinlich noch oberhalb von Spinnen, bei denen du so gut wie keine Skrupel hast, aber unterhalb von Katzen won du dich bereits unwohl fühlen würdest.

  4. Langsam, langsam, ich glaube Deine Wut trifft die Falsche, gerade ich bin mir des Dilemmas ja durchaus bewusst und schrieb ja bereits, dass ich heute froh bin, keine Mäuse mehr töten zu müssen (und keine Katzen und keine Spinnen).
    ABER: Hast Du Kinder? Würdest Du Deinem Kind ein lebensrettendes Medikament vorenthalten, das erst über Tierversuche seine Zulassung erhalten hat oder nur über Grundlagenforschung an Tiermodellen entwickelt werden konnte?
    Ich habe meine wissenschaftliche Arbeit im Labor nicht zuletzt deshalb abgebrochen und aufgegeben, weil sich mir der Sinn meiner Arbeit (bezogen auf das konkrete Projekt) inkl. das Töten der Mäuse nicht mehr erschlossen hat. Ich würde aber niemals behaupten, dass überhaupt keine Tierversuche gerechtfertigt sind. Ich wäre froh, wenn sie nicht nötig wären, würde aber nicht auf die Errungenschaften, die sie uns bringen (Medikamente!) verzichten wollen.

  5. Das ist ein Missverständnis:) mich interessieren die Mäuse in den Laboren nicht. Ich wollte nur erklären warum du keine ’sadistischen Praktiken etablieren musstest‘ um mit dem Töten der Mäuse zurechtzukommen. Bei Lebewesen denen du dich verwandter fühlen würdest, bis hin zum Menschen, wäre das anders

  6. Tierversuche sind wirklich nichts schönes und ich mag ehrlich gesagt auch nicht gern darüber nachdenken.
    @maja, recht hast du damit, das man Tiere erst als Tier sehen muss und nicht als Freund. Dann wirds schwierig und das Essen unmöglich!

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