Der Junge kam an Sylvester. Nachdem wir Weihnachten im Kreis der Familie bei uns gefeiert hatten, ging der Plan, dass die Oma bis zur Geburt des Jungen bei uns bleibt, genau auf. Wir brauchten natürlich für das große Kind eine Betreuung während der Geburt und hofften sehr, dass der Junge sich nicht vor den Feiertagen auf den Weg macht, wobei ich nichts dagegen gehabt hätte …
Wir sind am 30.12. den ganzen Tag durch ein bekanntes schwedisches Möbelhaus geschlendert, um uns Inspiration für unser zukünftiges Mobiliar zu verschaffen. Ich war froh, dass ich im Laufe des Rundgangs immer wieder diverse Sitzmöbel ausprobieren konnte, um das ein oder andere unangenehme Ziehen im Bauch zu lindern. „Sind das Wehen?“ dachte ich irritiert, nichts ahnend, dass ich schon wenig später erfahren sollte, was Wehen wirklich sind.
Am späten Abend waren die Oma und das Kind schon lange im Bett, als auch der Mann und ich schlafen gehen wollten, aber ich konnte nicht einschlafen. Das Ziehen im Bauch war inzwischen regelmäßig alle 5-10 Minuten zu spüren und leicht unangenehm. Um herauszufinden, ob es nun losgeht, machte ich den viel beschworenen Wannentest.
Die Theorie: Werden die Wehen im warmen Wasser weniger, handelt es sich nur um Übungswehen, werden sie stärker, dann steht die Geburt bevor.
Die Praxis: Die Wehen blieben gleich stark. Hm, und nun?
Da ich ein Mensch bin, der sich ungern zu früh freut, ging ich davon aus, dass es ganz bestimmt noch nicht losgeht und beschloss, doch ins Bett zu gehen, aber schlafen ging nicht. Also entschied ich, mich unten im Wohnzimmer aufzuhalten und zu beobachten, wie es weitergeht. Von Mitternacht bis zwei Uhr steigerte sich die Frequenz der Wehen auf einen Abstand von unter 2 Minuten. Häufig, aber erträglich. Ab zwei Uhr wurde dann auch die Intensität stärker, aber es war noch gut auszuhalten. Ich löste SUDOKU-Rätsel und probte die korrekte Atmung während der Wehen. Ab vier Uhr wurden die Wehen unangenehmer und so langsam erlaubte ich mir den Gedanken, dass es nun vielleicht doch losgeht. Als die ersten Wehen dazwischen waren, die wirklich fies waren, beschloss ich um fünf Uhr meinen Mann zu wecken. Richtig glauben konnte ich es nicht, dass sich der Kleine nun wirklich auf den Weg macht, aber irgenwann sollte man ja wenigstens sicherheitshalber mal in die Klinik fahren. Meiner Mutter sagte ich noch ganz zweckpessimistisch, dass ich an einen Fehlalarm glaube, aber weit gefehlt!
Im Kreissaal angekommen passierte zunächst mal das, was typischerweise passiert: Die Wehentätigkeit nahm ab, was der Aufregung, genauer dem Adrenalin, zuzuschreiben ist. Auf der Flucht gebärt es sich nun mal schlecht, das hat die Natur schon geschickt eingerichtet. Aber die aufnehmende Hebamme war trotzdem ganz begeistert, weil die Wehen offenbar schon ganz schön viel gebracht hatten und der Muttermund schon relativ weit geöffnet war. Das ausdauernde Rätselraten unter Wehen zu Hause hatte sich also gelohnt. Alle prophezeiten mir, dass das Kind garantiert bis zum Mittag da sei. Alles Lügner…
Wir bekamen einen schicken Kreißsaal zugewiesen, den mit der Wanne (die ich letztlich aber nicht brauchte/wollte/nutzen konnte). Nachdem wir es uns dort gemütlich gemacht hatten, wurden auch die Wehen wieder regelmäßiger und stärker, die Untersuchungen ergaben allerdings, dass der Junge nicht richtig tief im Becken liegt. Na toll: Schöne Wehen, guter Muttermund-Befund, aber der Zwerg liegt nicht in Startposition. Folge war, dass ich die Wehen nach Anleitung veratmen musste, überwiegend in Rücken oder Seitenlage auf dem Bett, was ziemlich schmerzhaft war. Und das ging Stunden so! Es tat sich nur wenig und die Zeit verging, die eine Hebamme ging, die andere kam, die nächste ging und eine neue kam. Zwischendurch konnte ich einmal zwei und einmal eine Stunde mittels PDA ein wenig entspannen. Der Mittag war inzwischen längst verstrichen und ich wünschte mir schon insgeheim einen Kaiserschnitt.
Um das Ganze abzukürzen: Es dauerte bis ca. 16 Uhr, bis der Startschuss fallen konnte und die Presswehen begannen. Nach einer guten Stunde harter Arbeit – mein Gott war das anstrengend – kam der Kleine dann endlich rausgeflutscht. Alles dran, alles gesund, ein großes Kind und Haare Haare Haare. Das erste, was die Hebamme sagte, war: „Der braucht ’nen Frisörtermin.“ Und mir ging es direkt nach der Geburt wunderbar. Es stimmt tatsächlich, was man sagt: Alle Mühsal, alle Schmerzen sind sofort vergessen und verflogen. Man hält ein kleines glitschiges Etwas im Arm und ist nur froh und stolz und verliebt. Und: Man kann direkt danach duschen gehen, und aufstehen und rumlaufen. Herrlich! Das Kind kam im Gegensatz zu dem Jungen per Kaiserschnitt auf die Welt und ich muss sagen, dass man selbstverständlich bei einer natürlichen Geburt auch flucht und schimpft und sich wünscht, dass es vorbei ist oder nie geschehen wäre, aber das Elend währt ja nur (relativ) kurz. Die Schmerzen NACH einem Kaiserschnitt hingegen sind wirklich ätzend. Mann kann sich 4 Tage lang nicht bewegen (das war bei mir wenigstens so), hat eine Blasenkatheter, hat Höllenschmerzen beim Husten oder auch Lachen und die Narbe macht einem noch wochenlang nach der Geburt Freude. Neee, also ich würde wieder „normal“ gebären wollen, das war um Welten besser.
Die Oma und das Kind kamen noch am gleichen Tag, um das neue Familienmitglied zu bestaunen. Das Kind war mächtig stolz auf den kleinen Bruder und ist es noch immer. Wir hatten ein Familienzimmer, von dem aus der Mann und ich mit dem Jungen im Arm in der Nacht das Sylvesterfeuerwerk über der Stadt anschauen konnten. Wie romantisch. Das wird der kleine Mann nun jedes Jahr an seinem Geburtstag haben.
Und ob es auch in den folgenden Tagen und Wochen mit dem Jungen so romantisch blieb, und ob Jungs wirklich mehr Bauchschmerzen haben als Mädels und insgesamt anstrengender sind, das erfahrt Ihr beim nächsten Mal – sollte ich denn dazu kommen.
Wie schön für mich, dass du wieder Zeit findest/fandest zu schreiben! Nachdem ich mir schon Sorgen gemacht hatte und mein Kopfkino sich die schlimmsten Szenarien ausmalte, beruhigt es mich ungemein, dass du einfach nur im ganz normalen Babystress bist.
Bei Kind Nummer 3 wehte ich mich übrigens durch einen ALDI und war mir nicht sicher, ob das nur Senkwehen oder echte Wehen sind.
Selten klang eine Geburt so vergnüglich… 😉
Liebe Mone,
herzlichen Glückwunsch zu Eurem Sohn!!!
Olmi von Aiqum