Wir erleben gerade, dass es unmöglich ist, Kinder von Statussymbolen und Marken fern zu halten. Wir erleben dies etwas 10 Jahre früher, als wir damit gerechnet haben. Das Kind ist 3,5 Jahre alt!
Das Kind will Lillifee!
Das Kind will Hello Kitty!
Das Kind will ein Kindergarten-Freundebuch in Rosa, von Lillifee – natürlich!
Das Kind will Pink und Lila!
Etwa 2,5 Jahre lang waren wir stolz auf unsere Tochter, weil sie als eines von wenigen Mädchen in der KiTa nicht komplett in Rosa und Rüschen gekleidet rumlief. Wir zogen ihr die gemischtgeschlechtlichen Klamotten aus günstigen gebrauchten Kleiderpaketen von Ebay an. Wir waren froh, nicht jedes einzelne Kleidungsstück unserer Tochter persönlich zu kennen. „Gehört die Hose uns oder der KiTa?“ war eine häufig geäußerte Frage, wenn unsere Tochter mal wieder mit einem für uns fremd erscheinenden KiTa- oder Ebay-Outfit nach Hause kam. Das Kind sollte sich frei bewegen und sich schmutzig machen können, wir wollten keine rosa Prinzessin, sondern eine wilde Hocksche. Wir dachten, dass rosa Kleinmädchen-Träume anerzogen sind. Jetzt wissen wir es besser: Die Liebe zu Rosa, Lila und Pink ist angeboren! Definitiv.
Es ist unmöglich, dem Kind ein Mitbestimmungsrecht bei der morgendlichen Kleiderauswahl zu geben, dann kommen wir nämlich nie aus dem Haus. Es trägt im Hochsommer am liebsten gefütterte rosa Strumpfhosen und blaue Jeansröckchen mit pinken Hello-Kitty-Kleidchen darüber, obwohl es weiß, dass es heute heiß wird und dass ein Kleid über dem Rock komisch aussieht.
Beim Abholen von der KiTa (wegen der Rundum-Verglasung betragen die Temperaturen dort regelmäßig über 35° C) teilt uns die Erzieherin mit einem vorwurfsvoll fragenden Blick mit, dass sie dem Kind die Strumpfhose irgendwann ausgezogen habe – aber erst nach dem Besuch auf dem Spielplatz. Wir sind bemüht zu erklären, dass das Kind am Morgen selbst entschieden habe … Egal.
Im Buchladen steht das Kind stundenlang vor dem Non-Book-Tisch mit rosa Lillifee-Produkten und interessiert sich nicht mehr für die Frage, ob nun Pipi Langstrumpf oder Karlsson vom Dach die geeignetere Lektüre ist. Ohne die rosa Lillifee-Handtasche ist ein Verlassen des Geschäfts undenkbar und weil man sie ausnahmsweise selbst so niedlich findet und nur noch ein Exemplar da ist, kauft man die Tasche dann auch zerknirscht.
Mit der Oma, die früher (erfolglos!) so viel Wert darauf gelegt hat, dass ihre eigene Tochter angemessen gekleidet ist, werden neonpinke Hello-Kitty-Oberteile gekauft, die immerhin so hässlich sind, dass sie schon wieder einen speziellen Uncoolness-Faktor aufweisen, mit dem man das Kind gerne vor die Tür schickt.
Das Kind trägt am liebsten rosa Unterhosen, auf denen zusätzlich komische Feen oder Prinzessinnen abgebildet sind.
In dieser bekleidungstechnisch schwierigen Geschmacksentwicklungsphase bleibt uns als einzige Hoffnung, dass das der Preis dafür ist, dass uns eine dunkle, schwarze, depressive und bleiche Gothic-Look-Phase in 13 Jahren erspart bleiben wird. Aber Hoffnungen können so schnell zerstört werden …
Wie gut, dass Herr Hund Anton immer das gleiche Fell trägt und egal, wie viel er rumjault, ich bestimme, was gefressen wird! Punktpum! Gott sei Dank bleibt ein Hund ein Hund, egal wie sehr er geliebt wird und vielleicht auch ein bisschen Kindersatz ist ;).
Ich habe es zweimal überlebt, die rosa-glitzer-rüschige-Phase. So etwa mit dem Schulalter setzt sich das Verlangen nach blau und grün wieder durch und dem Kind ist seine rosa-glitzer-rüschige-Phase peinlich. Macht viele Photos, sichert die Beweise!
Meine große Tochter verfiel in der Pubertät in eine Sackphase (weit, labberig, ein freundlich sommerliches grau), meine kleine Tochter ist jetzt 11 Jahre alt, lackiert sich hingebungsvoll die Fingernägel und informiert sich in Bravo&Co was in und was out ist.
Abnabelung von der Mutter – darauf schiebe ich es.