Glas und anderes Fragiles (beim Umzug)

So viele Kartons stehen herum und sind gerade erst abgeladen worden. Abgeladen – wie das klingt … Meine Sachen kann man doch nicht einfach abladen. Aber die Männer mit den großen Muskeln waren da gar nicht sentimental. Die Kisten mit meinen Kostbarkeiten haben sie aus dem Lastwagen getragen und einfach hierhin gestellt, mitten in mein kleines neues Appartement. Es ist ihnen egal, was in den Kisten ist, sie sind es gewohnt, alles ein- und auszuladen, sie sind da gar nicht wählerisch. Die Muskelmänner wissen nicht, was sich in den Kisten verbirgt und behandeln die Kochbuchkiste genauso wie die mit den Liebesbriefen. Die Kiste mit den Kristallgläsern, aus denen meine Oma so gerne Portwein getrunken hat, ist ihnen ebenso einerlei wie die mit den Bilderbüchern aus meiner Kindheit, die geduldig auf die nächste Generation warten.

Von außen scheint eine Kiste wie die andere. Wer hineinschaut, sieht einfach Dinge. Und ich sehe mein Leben, die Vergangenheit und einen Neubeginn.

Dieser Text ist im Rahmen meines Kurses zum kreativen Schreiben entstanden.

Dieser Abstand

Dieses Abstandhalten in einer Welt, die sowieso schon so „auf Abstand“ ist. Alle machen große Bogen umeinander, dabei beäugt man sich, die Blicke sagen: „Komm‘ mir nicht zu nah!“ Und kommt man einem zu nah, dann spürt man fast die Luft kribbeln, wenn der virtuelle Radius penetriert wurde vom Gegenüber, oder schlimmer, wenn man selbst es war, der dem anderen zu nahe gekommen ist. Abstandhalten, kein Körperkontakt, Anonymität, verhüllte Gesichter … Warum soll ich noch lächeln, wenn es keiner sieht, wenn keiner sich die Mühe macht, in meinen Augen nachzuforschen, um zu erkennen, ob sie mitlächeln?

Vielleicht ginge es aber auch anders. Wenn wir uns nicht mehr annähern dürfen, unsere Gesichter nicht mehr zeigen dürfen, warum lachen wir nicht laut? Singen und springen durch die Gegend (natürlich mit Abstand), machen uns laut und deutlich Komplimente – laut und deutlich! – und erzählen uns, wie gerne wir uns in den Arm nehmen und berühren würden.

Und dann machen wir es einfach, wenn es keiner sieht.

Dieser Text ist im Rahmen meines Kurses zum kreativen Schreiben entstanden.