Glas und anderes Fragiles (beim Umzug)

So viele Kartons stehen herum und sind gerade erst abgeladen worden. Abgeladen – wie das klingt … Meine Sachen kann man doch nicht einfach abladen. Aber die Männer mit den großen Muskeln waren da gar nicht sentimental. Die Kisten mit meinen Kostbarkeiten haben sie aus dem Lastwagen getragen und einfach hierhin gestellt, mitten in mein kleines neues Appartement. Es ist ihnen egal, was in den Kisten ist, sie sind es gewohnt, alles ein- und auszuladen, sie sind da gar nicht wählerisch. Die Muskelmänner wissen nicht, was sich in den Kisten verbirgt und behandeln die Kochbuchkiste genauso wie die mit den Liebesbriefen. Die Kiste mit den Kristallgläsern, aus denen meine Oma so gerne Portwein getrunken hat, ist ihnen ebenso einerlei wie die mit den Bilderbüchern aus meiner Kindheit, die geduldig auf die nächste Generation warten.

Von außen scheint eine Kiste wie die andere. Wer hineinschaut, sieht einfach Dinge. Und ich sehe mein Leben, die Vergangenheit und einen Neubeginn.

Dieser Text ist im Rahmen meines Kurses zum kreativen Schreiben entstanden.

Dieser Abstand

Dieses Abstandhalten in einer Welt, die sowieso schon so „auf Abstand“ ist. Alle machen große Bogen umeinander, dabei beäugt man sich, die Blicke sagen: „Komm‘ mir nicht zu nah!“ Und kommt man einem zu nah, dann spürt man fast die Luft kribbeln, wenn der virtuelle Radius penetriert wurde vom Gegenüber, oder schlimmer, wenn man selbst es war, der dem anderen zu nahe gekommen ist. Abstandhalten, kein Körperkontakt, Anonymität, verhüllte Gesichter … Warum soll ich noch lächeln, wenn es keiner sieht, wenn keiner sich die Mühe macht, in meinen Augen nachzuforschen, um zu erkennen, ob sie mitlächeln?

Vielleicht ginge es aber auch anders. Wenn wir uns nicht mehr annähern dürfen, unsere Gesichter nicht mehr zeigen dürfen, warum lachen wir nicht laut? Singen und springen durch die Gegend (natürlich mit Abstand), machen uns laut und deutlich Komplimente – laut und deutlich! – und erzählen uns, wie gerne wir uns in den Arm nehmen und berühren würden.

Und dann machen wir es einfach, wenn es keiner sieht.

Dieser Text ist im Rahmen meines Kurses zum kreativen Schreiben entstanden.

Neustart Rheinland 2020

Man sagte ja zu Beginn der Corona-Krise, dass selbige eine Chance für Familien sei. Nun, wir haben die Chance genutzt und sind in meine alte Heimat, zurück ins Rheinland gezogen. Mit Sack und Pack. Zum Glück fanden der Mann, das Kind und der Junge die Idee auch gut. Wir sind jetzt Kleinstädter, leben aber mitten in der Stadt, eigentlich noch städtischer, als in Stuttgart. Alles ist zu Fuß erreichbar. Wir haben zwar keinen Garten, aber einen Hof, den wir uns fein herrichten wollen, aber erst im nächsten Jahr, vorher gibt es noch ein paar größere Baustellen (und das ist leider wörtlich zu nehmen), die wir angehen müssen.

Wir leben uns jetzt ein, auch wenn wir noch ohne Küche, ohne Wohnzimmer und noch inmitten von Kartons wohnen. Kinder und Mann gehen fleißig zur Schule und gewöhnen sich an das neue Schulsystem hier in NRW. Ich studiere weiter und prokrastiniere gerade die Abgabe meiner aktuellen Hausarbeit, um dann in Kürze ins nächste Semester zu starten. Außerdem bin ich auf Jobsuche.

Das Kind hat sich entschieden, erst einmal ganz in Ruhe anzukommen und sich keinerlei Hobbies zu suchen, die Schule sei schon anstrengend genug. Ich glaube, mit 13 ist einfach alles anstrengend. Der Mann hat mit unserem neuen Domizil quasi ‚frei Haus‘ und ungefragt ein neues Hobby dazu bekommen – Stichwort: Baustellen. Der Junge ist jetzt Pfadfinder, ein kleiner Wölfling, und will außerdem wieder zum Leichtathletik gehen. Zum Klavierunterricht ist er auch schon angemeldet, aber hier wollen wir den Start noch etwas aufschieben, bis unsere Räumlichkeiten ein wenig konzerttauglicher sind.

Ich selbst würde gerne etwas mehr Fiktion in mein Leben bringen und habe mich daher zu einem kreativen Schreibkurs angemeldet. Den ersten Termin hatte ich schon, aber dazu später mehr. Außerdem muss ich mir dringend einen neuen Chor suchen, denn das Singen vermisse ich sehr. Vielleicht bin ich schon fündig geworden, aber wegen terminlicher Überschneidungen kann ich erst zum Probeüben gehen, wenn mein Schreibkurs vorbei ist. Sportlich bin ich endlich auch wieder. Nach dem deutlichen Temperaturrückgang der letzten Tage/Wochen gehe ich wieder laufen, was hier rund um unser Kleinstädtchen in alle Himmelsrichtungen ziemlich gut geht. Ich kann mir aussuchen, ob ich in den Wald, am Wald entlang, an den Bahngleisen entlang in die eine oder in die andere Richtung oder ins Feld laufe.

Die Luft hier riecht übrigens wie früher. Das ist verdammt schön!